In letzter Zeit habe ich intensiv über die Entwicklungen in der Automobilbranche nachgedacht. Mit der E-Mobilität verändert sich das Spielfeld grundlegend. Der Motor, einst eine massive Markteintrittsbarriere, verliert an Bedeutung. Ein Auto zu bauen wird immer einfacher, und das öffnet Türen für branchenfremde Unternehmen.
Unternehmen wie Huawei, Xiaomi oder Sony steigen plötzlich in den Automobilmarkt ein. Sie nutzen ihre Expertise in Elektronik und Software, um eigene Fahrzeuge zu entwickeln. Doch während diese Firmen ihre Autos unter eigener Marke verkaufen, geht Foxconn einen anderen Weg, der meine Aufmerksamkeit erregt hat.
Foxconns Whitelabel-Strategie
Foxconn, bekannt als Auftragsfertiger für Elektronikprodukte wie das iPhone, verfolgt eine interessante Idee:
- Entwicklung von Whitelabel-Autos: Foxconn entwickelt Elektrofahrzeuge, die als “Whitelabel-Produkte” dienen.
- Lizenzierung und Anpassung: Andere Unternehmen können diese Fahrzeuge lizenzieren und nach ihren Vorstellungen anpassen – sei es im Design, in der Software oder bei den Features.
- Produktion durch Foxconn: Die eigentliche Produktion übernimmt Foxconn, was ihrer Kernkompetenz entspricht.
Die Zielgruppe für dieses Modell sind Unternehmen wie Sixt, Hertz, Uber oder Didi. Sie könnten so eigene Autos unter ihrer Marke anbieten, ohne das technische Risiko und die hohen Entwicklungskosten zu tragen.
Ein erstes Beispiel gibt es bereits: In Taiwan werden die Foxconn-Autos unter der Marke Luxgen verkauft. Die Antriebstechnik stammt von der ZF-Tochter Chassis Modules, an der Foxconn seit April 50% hält. Das Design kommt vom renommierten italienischen Studio Pininfarina. Durch solche Partnerschaften kompensiert Foxconn fehlende Expertise und baut Glaubwürdigkeit in der Branche auf.
Die Hardware wird austauschbar, Software wird zum Schlüssel
Diese Entwicklungen beschleunigen einen Trend, den wir schon länger beobachten: Die Hardware wird zunehmend austauschbar. Der wahre Unterschied liegt in der Software. Das Auto entwickelt sich zum neuen Endgerät, ähnlich wie das Smartphone oder die VR-Brille. Unternehmen kämpfen darum, Zugang zu Nutzern zu bekommen und sie an ihre Ökosysteme zu binden.
Das Auto als nächstes großes Endgerät
In einer Zeit, in der vernetzte Geräte unseren Alltag bestimmen, könnte das Auto zum nächsten großen Endgerät werden. Es bietet eine Plattform für Anwendungen, Unterhaltung und personalisierte Dienste. Mit der fortschreitenden Entwicklung von autonomem Fahren wird der Innenraum des Autos zum Lebensraum, in dem wir arbeiten, entspannen und kommunizieren können.
Neben der VR-Brille ist das Auto eines der am härtesten umkämpften Endgeräte. Tech-Giganten wie Apple und Google investieren massiv in Automobiltechnologien. Sie sehen das Potenzial, ihre Dienste und Produkte in den Alltag der Menschen zu integrieren – auch auf vier Rädern.
Wird das iPhone-Geschäftsmodell auf die Autoindustrie übertragen?
Die Frage, die sich mir stellt, ist: Kann das Geschäftsmodell, das im Smartphone-Markt so erfolgreich war, auf die Autoindustrie übertragen werden? Foxconns Ansatz erinnert stark an ihre Rolle bei der Produktion des iPhones. Sie bieten die Hardware-Plattform, während andere Unternehmen die Marke, das Design und die Software liefern.
Die Chancen
- Marken können schnell in den Automarkt einsteigen: Unternehmen ohne eigene Produktion können eigene Autos anbieten, ohne die hohen Investitionskosten zu tragen.
- Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Durch die Whitelabel-Lösung können Fahrzeuge schnell an Markttrends und Kundenwünsche angepasst werden.
- Fokus auf Software und Services: Unternehmen können sich auf die Entwicklung von Software und Diensten konzentrieren, die den wahren Mehrwert für den Kunden bieten.
Die Herausforderungen
Doch es gibt auch erhebliche Bedenken:
- Komplexität des Automobilgeschäfts: Die Autoindustrie ist deutlich komplexer als die Elektronikbranche. Sicherheitsanforderungen, regulatorische Vorschriften und Haftungsfragen stellen hohe Hürden dar.
- Vertrauen der Verbraucher: Autos sind eine langfristige Investition. Kunden erwarten Qualität, Sicherheit und Zuverlässigkeit. Neue Marken müssen erst das Vertrauen der Verbraucher gewinnen.
- Infrastruktur und Service: Der Aufbau eines Servicenetzwerks für Wartung und Reparaturen ist kostspielig und zeitaufwändig.
Die Rolle von Software und KI
Unbestritten ist, dass Software und künstliche Intelligenz die Zukunft der Automobilbranche prägen werden. Autonome Fahrsysteme, vernetzte Dienste und personalisierte Nutzererlebnisse werden zum Standard. Unternehmen, die hier führend sind, können sich entscheidende Wettbewerbsvorteile sichern.
Meine Prognose
Ich glaube, dass wir eine Verschiebung in der Wertschöpfungskette der Automobilindustrie erleben werden. Während die Hardware an Bedeutung verliert, rückt die Software in den Fokus. Unternehmen mit starker Softwarekompetenz, sei es in der Entwicklung von Betriebssystemen, KI oder Nutzeroberflächen, werden dominieren.
Foxconns Modell könnte erfolgreich sein, insbesondere wenn sie es schaffen, die Herausforderungen der Automobilproduktion zu meistern und starke Partnerschaften einzugehen. Mobilitätsdienstleister wie Uber oder Didi könnten tatsächlich Interesse daran haben, eigene Fahrzeuge zu betreiben, die perfekt auf ihre Dienste abgestimmt sind.
Das Rennen um das nächste große Endgerät
Das Auto wird zum begehrten Endgerät, über das Unternehmen Zugang zu Nutzern erlangen wollen. Ähnlich wie bei Smartphones könnten wir geschlossene Ökosysteme sehen, in denen Hardware, Software und Dienste nahtlos ineinandergreifen. Der Kampf um die Vorherrschaft in diesem Bereich wird intensiv sein.
Fazit
Die Automobilbranche steht vor einem tiefgreifenden Wandel. E-Mobilität, Software und KI verändern die Spielregeln. Während traditionelle Hersteller ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen, drängen neue Player in den Markt.
Ob das iPhone-Geschäftsmodell in der Autoindustrie funktioniert, hängt von vielen Faktoren ab. Foxconn könnte eine Schlüsselrolle spielen, wenn sie die Komplexität des Marktes bewältigen und Mehrwert für ihre Partner schaffen können.
Eines ist sicher: Das Auto als Endgerät wird in den kommenden Jahren ein zentrales Schlachtfeld sein. Unternehmen, die hier erfolgreich sind, werden die Art und Weise, wie wir Mobilität erleben, nachhaltig prägen.